Hans Hagen Hottenroth

NOTGELD IN NIEDERÖSTERREICH
EIN GEBOT DER BITTREN NOT

A SCHWARZ‘ STÜCKL BROT UND A GUATS KRÜGL MOST

Groß war die Not, die Sorge um Arbeit und das tägliche Brot allgegenwärtig. Das Volk litt Hunger, es gab kein Brennmaterial, das Geld wurde von Tag zu Tag weniger wert, gespartes Vermögen schmolz in nichts zusammen, Schulden – man kannte keine Wertsicherung, die sich nach einem bestimmten Index richtete – wurden mit einem Pappenstiel beglichen, Arbeit war schwer zu finden. Am härtesten traf es die Stadtbevölkerung, doch auch am Land galt schon als privilegiert, wer für seine Ziege einen Pachtgrund am Bahndamm ergattern konnte. Umso erstaunlicher die Kraft und die Zuversicht, mit der man der Wirtschaftskrise an den Leib rücken wollte. Die Notgeldscheine wissen ein Lied davon zu singen!
Die goldene Firmungsuhr gegen ein Häfen Schmalz! Wer kennt nicht aus den Erzählungen der Eltern oder Großeltern die Geschichte vom Familienvater, der nach vielstündigem Hamstergang todmüde, aber glücklich mit ein paar Kartoffeln und Eiern heimkehrt. Man sagt den Bauern aus dieser Zeit nichts Gutes nach, verdammt ihre Habgier und Hartherzigkeit. Wen wundert es, bei den Heerscharen, die täglich an die Tür pochten! Es wäre unmöglich gewesen, sie alle zu beteilen. Und dennoch: Trotz aller Auswüchse, blühenden Schleichhandels und ungleicher Tauschgeschäfte war es der Bauernstand, der so viele Menschen damals über Wasser hielt.
So weisen denn auch die Gemeinden des Mostviertels in ihrem Notgeld ausführlich auf die Bedeutung der Landwirtschaft hin: die ihre Sense schärfende Schnitterin auf den Scheinen von Kollmitzberg, der Stier auf der Vorderseite des 10-Heller-Zettels der Landgemeinde Waidhofen an der Ybbs, mit dem launigen Spruch am Revers:

Als Sinnbild der Gemeindekassen
Gilt mancherorts der Stier,
Beziehet Kassenschein‘ in Massen,
Dann ändert sich das Wappentier.

Auf dem 60-Heller-Schein dieser Gemeinde fährt ein hochbeladener Heuwagen vor, für Ollersbach skizzierte J. Kränzl die Getreideernte, die Gutscheine von St. Leonhard am Forst/Ruprechtshofen umrahmen in kleinem Oval einen pflügenden Bauern bzw. einen Erntewagen, Schönbichl und Zeillern verwenden für ein ähnliches Motiv sogar dasselbe Klischee, und stellvertretend für das Waldviertel läßt die Ortsgemeinde Gerotten und Pötzles (heute Stadtgemeinde Zwettl) ein Pfluggespann ackern.

A schwarz‘ Stückl Brot
und a guats Krügl Most
Is für unsere Landsleut
Dö allerliebst Kost

schrieb die Gemeinde St. Johann in Engstetten auf ihre Kassenscheine.
In obstreichen Gegenden war der Most nicht nur Haustrunk, sondern auch ein Produkt, das dem Bauern Nebeneinkünfte garantierte. In allen Gasthäusern wurde Most ausgeschenkt, die Arbeiter, die kleinen Angestellten, sie holten sich dieses erfrischende Getränk im Eimerfaß nach Hause, von ihrem Bauern natürlich.

Mosterzeugung wie Obstbau mußten so adäquate Berücksichtigung auch auf den Notgeldscheinen finden, in Wort und Bild. Abetzbergs Scheine zieren stilisierte Mostfässer, von Obstbäumen umrankt. Preinsbach weist mit einer Presse, Äpfel, Birnen und der Aufschrift „Obstbau“ auf diesen Erwerbszweig hin, während Weistrach im Comic-Stil den Bauern selbst zu Wort kommen läßt.

Inzwischen ist der Obstbau stark zurückgegangen, die Birnbaumalleen mußten dem Straßenbau weichen, und die vielen Mostobstbäume auf den Wiesen und Feldrainen standen den motorisierten Ackergeräten im Wege. Der Weinbau hingegen nahm ungeheuren Aufschwung; schon 1920 war er ein wesentlicher Faktor der niederösterreichischen Wirtschaft. Die Wachau, das Krems- und Kamptal, das Weinviertel und die Südbahnstrecke haben demnach auch den Wein in die Gestaltung des Notgeldes einbezogen: Weinlaub, Ranken und Reben umrahmen die Ortsansichten, Flasche und Römerglas ergänzen das Gesamtbild.
Wein war nicht das Getränk des kleinen Mannes, sondern seltener und festtäglicher Genuß. Daß er mit steigender Inflation immer teurer wurde, inspirierte Langenlois (10-Heller-Schein) zu diesen Versen:

Aus Papier die ganze Welt,
Warum nicht auch das Loiser Geld.
Für diese Scheine kriegst du Wein,
Doch müssen ihrer viele sein.

Poysdorf schlug mit dem folgenden Vierzeiler in dieselbe Kerbe:

In Poysdorf liegt manch Tropfen Wein,
Doch mangelt es am Gelde klein;
Drum schicken wir dies Blättchen aus,
Aus vielen wird ein Gläschen draus.

Ähnliches liest man auch auf dem 50-Heller-Schein des bekannten Weinortes Straß:

Straßer Wein hat Geist und Feuer,
Nur is er halt a bißl teuer.
Doch wennst gnua solche Zettln hast,
Bist dort a gern geseh’ner Gast.

Weinzierl am Walde (10 Heller) brachte nach einem Entwurf von F. Rohrhofer Weinhauerhäuser, umrahmt von Weinlaub und Reben, Retz nahm nur in der grafischen Auszier Bezug auf den Rebensaft und in einem Spruchband heißt es:

Du alte Stadt, bekränzt von edlen Reben,
verzage nicht, da Feinde dich umgeben.
Dein köstlich Naß gibt Trost und Mut.
Deutsch bleibt der Sinn, das höchste Gut.

Weniger pathetisch war man in Röschitz; dort schrieb Seybold folgende Verse auf den 50-Heller-Schein:

Die Röschitzer Maderln,
Der Röschitzer Wein,
D‘ Engerln und der Rebenstock
Lad’n mi ein.
Da kann i net na sag’n,
Da muaß i schnell hin,
Und wann i zum Schluß a
Ohne Kassenschein bin.

Weißenkirchen gab drei verschiedene Notgeldserien heraus. Die Motive der dritten Serie sind seitlich mit Reben bekränzt, auf Serie II meint man bloß kurz und bündig:

Geldnot, – Notgeld, –
Dasein kläglich! –
Weinnot, – Notwein, –
Unerträglich!
(Just)

und in liebenswürdiger Abwandlung der Hymne an den Wein (Serie I)

Wenn im Lenz der Obstbaum blüht,
Kommt mir immer in den Sinn,
Daß zur allerschönsten Frucht,
Reift doch die – Wachauerin!
(Just)